taz (tageszeitung), 18.4.2011
VON PHILIPP GESSLER
BERLIN taz | Es war eine Fleißarbeit – aber nach einer Woche Recherche im Archiv der Staatsbibliothek von Berlin waren die Zahlen zusammen: Die Humanistische Union, die sich selbst eine Bürgerrechtsorganisation nennt und seit 1961 für eine klare Trennung von Staat und Kirche eintritt, hat errechnet, wie viel Geld der Staat seit 1949 an die beiden großen Volkskirchen als sogenannte Staatsleistungen überwiesen hat. Sie kommt auf eine Summe von rund 14 Milliarden Euro.
Die Staatsleistungen an die Kirche sind besonders umstritten, da sie im Wesentlichen auf zwei schon lange zurückliegenden Phänomen beruhen: Zum einen werden sie als Entschädigung gezahlt, nachdem die deutschen Länder im Jahr 1803 beim Reichsdeputationshauptschluss im Zuge der Säkularisation Kirchengüter erhielten. Zum anderen verpflichteten sich die deutschen Fürsten im Laufe des 19. Jahrhunderts immer wieder, die Geistlichen ihres Territoriums zu alimentieren – und das bis in die Kaiserzeit hinein. (…)
Die Humanistische Union nennt deshalb die weitere Zahlung der Staatsleistungen verfassungswidrig – und legte am Montag in Berlin einen Gesetzesentwurf vor, der die Grundsätze für ein Ende der Staatsleistungen festschreiben würde. Juristisch sei nur über eine Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht etwas zu erreichen. Dafür aber habe sich bisher keine Partei bereit gefunden, während Individualklagen nicht möglich seien, hieß es.
Der Sprecher der katholischen Bischofskonferenz wollte das Anliegen der Humanistischen Union am Montag nicht kommentieren. Der EKD-Ratsvorsitzende, Präses Nikolaus Schneider, hatte schon Ende vergangenen Jahres gesagt: „Wenn der Staat das ablösen will, dann können wir darüber reden.“ Dazu sei man bereit – „allerdings zu fairen Bedingungen“.
Link: Steuergeld für Volkskirchen: Gottes Milliarden vom Staat