Die Länder haben der evangelischen und katholischen Kirche 2015 in Deutschland zirka eine halbe Milliarde Euro gezahlt. Grundlage dafür ist ein zweihundert Jahre alter Deal, den die Bundesregierung nicht antasten will.
Lutz Kinkel / Stern
Johann-Albrecht Haupt, 72, ist Verwaltungsjurist. Früher saß er im niedersächsischen Kultusministerium, jetzt ist er pensioniert. Aber Haupt, Mitglied in der religionskritischen „Humanistischen Union“, hat ein „Hobby“, wie er es nennt. Ein Hobby, mit dem er Jahr für Jahr mächtig Staub aufwirbelt – Haupt inspiziert die Länderhaushalte und filtert die sogenannten Staatsleistungen heraus: Steuergeld, das ohne Zweckbindung an die katholische und die evangelische Kirche in Deutschland überwiesen wird. Nun hat er die Zahlen für 2015 vorgelegt. Demnach hatten die Bundesländer 499,1 Millionen Euro für die Kirchen eingeplant. Nach Berechnung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) waren es sogar noch mehr, nämlich 510 Millionen Euro. Das teilte sie der katholischen Nachrichtenagentur KNA mit, auf stern-Nachfrage wollte ein DBK-Sprecher die Zahl nicht nochmals bestätigen. Die evangelische Kirche will gar keine Summen nennen: Es fehle die Übersicht.
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„Ewige Rente“ für die Kirchen in Deutschland?
Nach den Berechnungen von Johann-Albrecht Haupt sind allein in den Nachkriegsjahren rund 16,3 Milliarden Euro von den Ländern an die Kirchen geflossen. Diese Zahl bezeichnet Thomas Begrich, Abteilungsleiter Finanzen bei der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD), als „vermutlich richtig“. Wie viel Geld in den 150 Jahren vor Ende des Zweiten Weltkriegs bezahlt wurde, kann niemand beziffern. Und schon gar nicht weiß irgendwer zu sagen, ob die Zahlungen noch in irgendeinem Verhältnis zu dem Vermögensverlust der Kirchen im 18. und 19. Jahrhundert stehen. Trotzdem existiert die Zahlungsverpflichtung weiter. Ungeprüft. Die Humanistische Union befürchtet eine „ewige Rente“ für die Kirchen. Gesetze entwickeln manchmal ein Eigenleben.
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Bundespolitiker winken ab
Vorerst bleibt wohl alles so, wie es ist und nicht sein sollte. Verwaltungsjurist Haupt wird Anfang 2017 die nächste Statistik vorlegen, Oberkirchenrat Begrich wird sich wieder mit Kritikern streiten müssen, ob die Zahlungen noch gerechtfertigt sind und ob der Imageschaden für die Kirchen nicht allmählich schwerer wiegt als das eingesammelte Geld. Und im Bund werden die Fachpolitiker einmal mehr die Hände in den Schoß legen.
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