Schleswig-Holstein zahlt der Kirche Rekordsumme

„Der echte Norden“ überweist 13,32 Millionen Euro an die evangelische Nordkirche und die Katholiken. Die Ungeduld in der Koalition wächst.

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Kiel | Obwohl das Grundgesetz ein Ende der Praxis vorsieht, zahlen die Länder in diesem Jahr der Kirche mehr Staatsleistungen als je zuvor: bundesweit 510 Millionen Euro. Das geht aus einer Auswertung der Länderhaushalte durch die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union hervor. Schleswig-Holstein überweist 13,32 Millionen Euro an die evangelische Nordkirche (13,1 Mio. Euro) und die Katholiken (224.000 Euro). Das sind 498.000 Euro mehr als im Vorjahr. So stark ist der Betrag seit über fünf Jahren nicht angehoben worden.

Schleswig-Holsteins Landesrechnungshof hat bereits 2011 darauf gedrängt, nur noch etwa vier Millionen Euro jährlich an die Glaubensgemeinschaften zu zahlen. Dabei verwiesen die Haushalts-Wächter darauf, dass die Mitgliederzahl der Kirchen seit Abschluss des Staatskirchenvertrags 1957 von 88 auf nur noch knapp über 50 Prozent der Bevölkerung gesunken sei.

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Laut Staatskirchenvertrag von 1957 richteten sich die Zuwächse nach den Tarifabschlüssen im öffentlichen Dienst. Denn fast das ganze Geld fließt in die Pastorenbesoldung. „Es gibt keine außergewöhnlich exorbitanten Staatsleistungen“, sagt der Sprecher des Kieler Kulturministeriums, Oliver Breuer. „Wenn die Gehälter stärker wachsen, wachsen auch die Staatsleistungen um dieselbe Prozentzahl stärker an.“ […]

Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben findet Staatsleistungen „nicht mehr zeitgemäß“. Die bekennende Katholikin betont zwar „einen wichtigen Beitrag der Kirchen für die Gesellschaft – gleichzeitig ist es aber wichtig, dass die Trennung von Kirche und Staat tatsächlich umgesetzt wird“. Die Grünen setzten darauf, dass die Landesregierung einen Beschluss des Landtags von 2013 umsetze. Der hatte auf Initiative der FDP das Kabinett beauftragt, im Bund auf eine Kommission hinzuwirken, die Wege zum Umsetzen des Verfassungsauftrags vorbereitet. Zuvor hatte der Landesrechnungshof eine Reduzierung der Beträge angemahnt.

Lars Harms (SSW) sieht die Zahlungen an die Kirchen kritisch, auch wenn er seine Wertschätzung für die Kirche betont: „Verträge, die ewig gelten, sollte es so nicht geben. Zusammenarbeit sollte auf Vertrauen, nicht auf Ewigkeitsklauseln basieren.“ Laut Kulturministerium ist der Landtags-Beschluss verpufft, da „aus anderen Ländern kein Signal zur Notwendigkeit einer Lösung vorliegt“.

Die Nordkirche betont, angesichts des im Grundgesetz formulierten Prozedere könne sie nicht von sich aus auf das Geld verzichten. Der Ball liege bei der Politik.

Leitartikel von Peter Höver

Auch wenn sich Schleswig-Holstein mit der Höhe seiner Staatsleistungen an die Kirchen im unteren Drittel der Länder wiederfindet – einzusehen ist es nicht (mehr), dass ein Land mit klammer Kasse den Kirchen eine zweistellige Millionensumme überweist. Jahr für Jahr tut das Land dies. Und jedes Jahr wird es mehr.

Passiert ist – nichts! Die Frage drängt sich auf, was der Landtag und seine Akteure eigentlich fürchten. Den unausweichlichen Konflikt mit den Kirchen? Die Furcht, in einem solchen Konflikt den Kürzeren zu ziehen?

Die Nordkirche hat sich vor nicht allzu langer Zeit bereit erklärt, Schleswig-Holstein jährlich 2,5 Millionen Euro für kulturelle Projekte zu überweisen. Einmal abgesehen davon, dass hier eine Kirche in höchst fragwürdiger Manier als generöser Finanzier eines klassischen, wenn auch strukturell unterfinanzierten Kernbereichs der Landespolitik auftritt; der kulturpolitische Nordkirchen-Obolus wirkt wie eine Art moderner Ablasshandel, um die im Grundgesetz vorgesehene Ablösung der Staatsleistungen wenigstens noch ein wenig aufzuschieben.

Quelle: SHZ.de